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Die grausartige Welt des Yoga (Teil 1)


Ich wollte heute ein bisschen darüber schreiben was mich an der Yogaindustrie besonders aufregt - zumindest die Yogaindustrie in die ich "hineingeboren" wurde als ich Anfang 2021 meine Ausbildung begonnen hatte. Ich kannte bis zu meiner Ausbildung (die btw wirklich ein Glücksgriff war und für die ich ewig dankbar sein werde) nur diesen neuen white-washed-new-aged shit. Und ich fand den ehrlich gesagt am Anfang auch großartig. Als ich mit Yoga begann (noch vor meiner Entscheidung die Ausbildung zu machen) war es für mich ein Workout, mein Ersatz zu Crossfit - wenigstens habe ich auch zeitgleich zum Meditieren begonnen, sonst hätte das alles gar nichts gebracht. Jeden Tag mindestens 30 Minuten Yogasana, also das was wir hier als Yoga bezeichnen. Reine körperliche Aktivität mit ein bisschen Atmen und Gelaber über mentale Inputs von denen die meisten Lehrenden sowieso keine Ahnung haben. Oder ihre eigenen Traumata mit in die Stunde bringen, um diese in der Gruppe aufzuarbeiten. 

Da sind wir schon beim ERSTEN Punkt. Du kommst völlig unwissend in eine Yogastunde und wirst entweder mit persönlichen Shit der Lehrer:in konfrontiert oder er:sie versucht ganz tief in deinen persönlichen Wirr-Warr einzutauchen. Er:sie bringt dich gedanklich im Shavasana mit seiner:ihrer Stimme in deine Kindheit zurück. Ohne viel darüber nachzudenken, dass die Kindheit von anderen vielleicht einfach extrem kotzig war und der:die Teilnehmende im Alltag versucht Gedanken daran zu vermeiden. Aus gutem Grund. Und wem jetzt der Gedanke aufkommt: "Ja, aber dann beginnt der:die Schüler:in vielleicht wenigstens darüber nachzudenken."... HALT!!!!!!! Wir sind hier keine Psychologen:innen und sogar, wenn wir es wären: DIE PERSON IST ZUM YOGA DA und in keinem therapeutischen Setting. Was mich gleich zu Punkt ZWEI führt...

 

Unter anderem aus diesem verantwortungslosem Verhalten, werden Yogalehrer:innen nicht ernst genommen. Immer muss man sich beweisen, weil man entweder für leicht irre oder als Tagträumer:in wahrgenommen wird. Zumindest im ersten Augenblick. Und das Yogabusiness ist hart. Das ist ein verdammt aufwendiger, zeitintensiver Job und als Selbstständige:r verbringst du viel mehr Zeit mit dem ganzen rundherum, als damit, Stunden zu unterrichten. Wir leben in einer digitalen Welt, wir leben in einer Zeit zwischen Meta, eCommerce und online Marketing. Social Media will Input für Reichweite. Hier werden Stunden investiert, um Werbung zu generieren. Das ist sehr schwer für viele (angehende) Lehrer:innen. Das lernt dir niemand in deiner Yogaausbildung (und ja, das wären sonst wahrscheinlich nochmal 800h und außerdem auch einiges an Kohle für das ganze Equipment). Technik ist für viele ein Mysterium und der Zugang schwer zu finden. Und dieses ganze Social Media ist einfach eine Spur leichter, wenn ein technisches Grundverständnis da ist.

 

Was für Lehrende noch schwierig ist und das führt mich gleich zu Punkt DREI:

Die meisten Lehrer:innen arbeiten auf Honorarnotenbasis ODER noch schlimmer: sie sind sogenannte Karma Yogi:nis. Was das ist? Auf gut deutsch ist das AUSBEUTUNG VON ARBEITSKRÄFTEN unter dem Deckmantel von Karma Yoga - dem selbstlosen Dienen.

Diese armen, meist sehr jungen Personen, arbeiten auf selbstloser Basis für einige große Yogastudios in Wien und auch dem Rest der westlichen Yogawelt. Sie putzen, sie werden angebrüllt, sie machen Social Media, sie bereiten das Studio vor der Klasse vor usw.. Im Gegenzug dafür dürfen sie an den Stunden, die im Studio angeboten werden "gratis" teilnehmen oder bekommen andere "Benefits". Was das Ganze ja auch wieder zu einem Widerspruch des Prinzip des Karma Yoga macht. Und niemand schützt diese Karma Yogi:nis oder auch alle anderen Yogalehrer:innen. Da steht keine Gewerkschaft dahinter, da gibt es keinen Kollektivvertrag, keine Interessenvertretung. Und das wird beinhart ausgenützt. Ich kann dazu sehr den Podcast "Yoga is Dead" Folge 1 empfehlen. Da wird das genauso angesprochen, wie es ist.

 

Yoga unterrichten darf übrigens jeder und jede. Es gibt keinen Rahmen dafür was du mindestens erfüllen musst, um diesen Beruf auszuüben. Keine Berufsjahre, keine Ausbildung, kein Attest. Einfach absolut NICHTS. Das bedeutet, du als Schüler:in lieferst dich hier einem unbekannten Rahmen aus und auch du als Lehrer:in bist in keiner Weise geschützt. Anstellung? Ich kenne nur ganz wenige Personen, die tatsächlich angestellt sind und hier eventuell einem (nicht Yoga) Kollektivvertrag unterliegen. Ansonsten eben keine Kündigungsfrist, keine Arbeitszeiten, keine Überstundenpauschale. Also all das, was einfach jeder:jede in Österreich lebender:lebende Angestellte hat. Und wenn deine Yogastunde nicht stattfindet, weil zu wenig Anmeldungen sind, bekommst du entweder nur die Hälfte oder gar nichts. Das ist wahrscheinlich auch in deiner halbschwindligen Vereinbarung so vermerkt (falls du überhaupt eine hast).

 

Es gibt unheimlich viele Punkte was Yoga zu einem GRAUSARTIGEN Space macht. Ich habe auch keine Lösung und gleichzeitig ein paar Ansätze. Du als Lehrende kannst versuchen dir deine Verträge bestmöglich auszuhandeln, halte dich fern von Studios, die dich zum:zur "Karma Yogi:ni" machen wollen und lass dich auf nichts unter deinem (Markt)Wert ein. Lies viel kritische Inhalte die das Thema Yoga beleuchten, höre gut zu und fühl' dich dabei auch angegriffen (das gehört zum Prozess dazu).

Und du als Schüler:in kannst dir aussuchen wo du Yoga machst. Das bezieht sich einerseits auf deinen eigenen Anspruch an Yoga (ich will dir nicht vorwegnehmen, dass Kindheitstraumata aufarbeiten im Yoga nicht dein Ding ist): schau dir den:die Lehrende gut an und falls du in einem Studio bist, das Studio. Haben die dort Karma Yogi:nis, wie schauen dort die hierarchischen Verhältnisse aus und kommt es dir dort ein bisschen "komisch" vor? Dann such' dir einen anderen Ort. Hier kannst du schon einen großen Teil dazu beitragen diesem ausbeuterischen System entgegenzuwirken, das sich hier im Westen als Yoga bezeichnet.

 

Mach mit meinen Worten was du möchtest und im besten Fall Yoga FÜR ALLE zu einem besseren Ort.